Kriegsende vor 75 Jahren und Zerstörung von Creuzburg zu Ostern 1945

Zur (vermeidbaren) Katastrophe für Creuzburg wurden der 1. und 2. April 1945 (Ostern). Weniger als 100 deutsche Soldaten und Männer aus dem „Volkssturm“ wollten an der Werra die Niederlage des faschistischen Reiches noch aufhalten, legten einen Panzersperrgraben in der Bahnhofstraße bei der Gaststätte „zur Linde“ an und einen hinter der Liboriuskapelle und sie sägten die Pappelallee vor der Brücke für eine Sperre um.

Die deutsche Wehrmacht sprengte auch zwei Bögen der historischen Werrabrücke von 1223 und alle Eisenbahnbrücken über die Werra (außer bei Buchenau). Werksangehörige der Sodafabrik verhinderten dies und sicherten damit die Zukunft für die Fabrik nach dem Krieg. Durch die Brückensprengung wurde die Liboriuskapelle von 1499 schwer beschädigt und das gegenüber liegende Haus mit vernichtet, in dem ironischerweise der Kreisorganisationsleiter der NSDAP Ulrich aus Eisenach mit seiner Familie wohnte. Die Fresken im Innenraum litten sehr unter dem eindringenden Regenwasser und erst im Mai 1955 wurde die Kapelle wieder eingeweiht, weil vorher der Wohnungsbau im Vordergrund stand.

Amerikanische Truppen der 4. US-Panzerdivision des General Patton griffen mit schwerer Artillerie von einer Höhe bei Willershausen an und eine Sonderkampfgruppe wurde nach Creuzburg geschickt, um „den Ort zu säubern“, damit eine Pontonbrücke errichtet werden konnte. In der Nacht gelang es ihnen schon, die Werra mit Schlauchboten zu überqueren und einen Brückenkopf zu errichten. Deutsche Kampfflugzeuge versuchten zwar noch diese Behelfsbrücke zu zerstören, trafen sie auch, aber am Nachmittag des 2.4.1945 setzten die Amerikaner über die Werra. Die deutschen Soldaten hatten sich auf dem Wallstieg (Brückenberg, Mihlberg) verschanzt und schossen von dort in die Stadt und verursachten auch dadurch Brände.

Der ganze Wahnsinn der deutschen Verteidigung einen Monat vor Kriegsende hatte die Amerikaner nur einen Tag aufgehalten. In Scherbda war Friedrich Meng so mutig und hisste eine weiße Fahne auf dem Kirchturm und das Dorf wurde nicht zerstört, Eisenach am 5. April kampflos eingenommen.

 Die Amerikaner waren nicht als Befreier empfangen worden, sondern als Feinde. In der Bundesrepublik Deutschland dauerte es 40 Jahre bis Richard von Weizsäcker 1985 den 8. Mai 1945 als „Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ bezeichnete und nicht mehr als Tag der Niederlage. Heute gibt es wieder Leute, für die es eine Schande war, diesen Krieg zu verlieren.

 In der Stadt waren laut der Gebäudebestandserhebung aus dem Jahr 1946 von 867 Gebäuden 634 zerstört worden, also 73 Prozent. Die elf öffentlichen Gebäude wurden alle zerstört, darunter das alte und neue Rathaus und das Pfarrhaus, aber die Burg blieb wieder unversehrt. Die Nicolaikirche war im Brand explodiert, weil Wehrmachtsausrüstung und Munition in der Kirche lagerten. Wiedereingeweiht werden konnte sie erst 1981. Durch diesen Brand entzündeten sich die Häuser der Kasseler Straße. Die Feuerwehr erlitt einen Totalverlust sämtlicher Ausrüstungsgegenstände und des Spritzenhauses. Die Männer waren im Kriegseinsatz und die Frauenfeuerwehr versuchte zu löschen, was möglich war. Die Stadt brannte tagelang.

 Im 1. Weltkrieg waren „nur“ 82 Männer „auf dem Feld der Ehre“ gefallen und Creuzburg war nicht zerstört, denn dieser Krieg endete nicht auf deutschem Boden. Im 2. Weltkrieg sind aus Creuzburg 178 Soldaten gefallen. Auf dem Gottesackerfriedhof gab es Holztafeln für Gefallene und Sigrid Schreiber setzte sich besonders dafür ein, dass es ein Denkmal am Friedhof gibt. Gefallene bei Creuzburg wurden auf dem Friedhof in Gemeinschaftsgräbern beigesetzt und 2005 an die Gedenkstätte vor dem Friedhof umgebettet. Eiserne Grabkreuze enthalten die Namen, wenn Hinweise (Erkennungsmarken) gefunden wurden und es gibt auch einen Grabstein für drei Italiener auf dem Friedhof. Das Kriegerdenkmal in Scherbda verzeichnet 23 Gefallene bzw. Vermisste im 1. Weltkrieg und 34 im 2. Weltkrieg. Ein unbekannter, zu Ostern 1945 im Ort gefallener, Soldat wurde in Scherbda auf dem Friedhof begraben.

 Auf dem Soldatenfriedhof bei Hötzelroda/Mittelhof sind weitere 358 deutsche Soldaten begraben, die in den letzten Kriegstagen gefallen sind.

 Viele Bürger waren vor dem Angriff in die Wälder geflüchtet, insbesondere zum Waldgut Eschenborn und nach Scherbda. Einige blieben dort auch länger, weil sie danach keine Wohnung mehr hatten. Darunter waren auch der Pfarrer und sein Katechet, weil das Pfarrhaus in der Stadt nicht mehr existierte. Auf dem Gut Wilhelmsglücksbrunn wurden ebenfalls Familien aus Creuzburg mit Wohnraum versorgt, nachdem die Zwangsarbeiter Mitte Mai in Sammellager gebracht worden waren zum Rücktransport in ihre Heimatländer.

Im „Reichsadler“ (heute der „Klostergarten“) waren ein Hilfskrankenhaus und ein Altersheim eingerichtet worden. In Creuzburg rückten die Bewohner noch intakter Gebäude zusammen und boten Unterkunft für Familien, die ausgebrannt waren, oft sogar mietfrei. Selbst Waschräume, Garagen, Scheunen und Nebengebäude dienten als Wohnraum und die Burg. Der Felsenkeller, in dem früher Eis für die Brauerei lagerte, mit Eingängen auf den Grundstücken der Familien Brömel und Nortmann, diente als Luftschutzkeller. Acht zivile Bewohner aus Creuzburg waren umgekommen.

 Um wenigstens eine Grundversorgung der Bevölkerung abzusichern, wurden schon unter den Amerikanern durch Thüringer Ämter Lebensmittelkarten in mehreren Kategorien ausgegeben für Normalverbraucher, Teilselbstversorger, Vollselbstversorger und es gab auch Tabakkarten. Darüber hinaus wurden Schuhe, Textilien, Bettwäsche und anderes verteilt.

Nach der Zerstörung musste der Schutt weggeräumt und zuerst die Kadaver der getöteten Haustiere in ein großes Loch beim heutigen Klärwerk gebracht werden, denn es lag ein schlimmer Leichengeruch über der Stadt.

Die Grundstückseigentümer versuchten zunächst ihre Häuser zu reparieren oder in Nebengebäuden Wohnraum zu schaffen, um wieder ein Dach über dem Kopf zu haben. Grundlage für den planmäßigen Wiederaufbau der Stadt wurden im August Richtlinien des Landratsamtes und dann ein Thüringer Landesgesetz vom 18.10.1945. Die Neuplanung veränderte Grundstücke und bewirkte verbreiterte Straßenzüge insbesondere in der Eisenacher- und Kasseler-Straße, also entlang der ehemaligen Reichsstraße 7. Bauhöhen, Dachneigung und Dacheindeckung, Fensterformen und anderes wurden vorgeschrieben und auch Regelungen für Behelfs- bzw. Notwohnungen erlassen. Zu kleine Grundstücke wurden nicht mehr aufgebaut und ein Jahr später ein Neubürgerwohnungsbauprogramm gestartet.

Karl-Heinz Michel 

Burg- und Heimatverein

    

   

Fotos:             Zerstörtes Zentrum von Creuzburg, Foto Burgarchiv

              Soldatengedenkstätte Creuzburg, Foto Karl-Heinz Michel

Kriegerdenkmal Scherbda, Foto Karl-Heinz Michel

            Hölzerne Gedenktafeln auf dem Gottesacker, Foto Manfred Heller

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