In Vorbereitung der 850-Jahr-Feier der Burg Creuzburg hat der Burg- und Heimatverein Creuzburg e. V. eine thematisch breit angelegte Vortragsreihe ins Leben gerufen. Ich habe dazu am 4. Oktober 2019 einen Vortrag beibringen können. Der gesprochene Text „Nicht aus der Brunst einer fliegenden Liebe. Über das kurze Lebensglück der Elisabeth, Gräfin zu Mansfeld und Herzogin zu Sachsen (1566–1596)“ wird nun mit den 53 Bildern online gestellt. Herrn Peter Baum bin ich für die technische Hilfe zu großem Dank verpflichtet. Frank-Bernhard Müller

Frank-Bernhard Müller (Leipzig)

Nicht aus der Brunst einer fliegenden Liebe. Über das kurze Lebensglück der Elisabeth, Gräfin zu Mansfeld und Herzogin zu Sachsen (1566–1596)  (Abb.1)Abb.1

Wann kam Elisabeth, Gräfin von Mansfeld-Hinterort, auf die Welt?

Über das Geburtsjahr Elisabeths schweigen die Quellen, ebenso über den Tag der Geburt und ihre Heilige Taufe; Elisabeth ist im Mittelalter der beliebteste weibliche Taufname neben Margareta und Katharina, vor allem seit der Heiligsprechung der Landgräfin Elisabeth von Thüringen 1235. Lange ist davon ausgegangen worden, dass Elisabeth 1565 geboren wurde. Einige Hinweise seien mir gestattet, zuerst, dass der Historiker Otto Posse (Genealogie des Gesammthauses Wettin, 1897) vom Geburtsjahr 1565 ausgeht: geb. geg. 1565. Die vier ersten Kinder dieser Ehe sind 1560, 1561, 1562 und 1564 geboren, das sechste Kind kam 1567 auf die Welt (nach dem Tod des Vaters am 3. März 1567), es bleiben nur, so Posse, zwei Jahre übrig: 1565 und 1566. Johann Hübner (Genealogische Tabellen, 1744) führt Elisabeth als fünftes Kind von sechs Geschwistern aus der zweiten Ehe, ein Geburtsdatum ist nicht angegeben. (Abb.2)Abb.2 Mutter Margareta hatte mit Johann von Mansfeld, so lesen wir es in ihrer Leichenpredigt 1596, sechs Kinder drey Junge Herrn vnnd so viel Fraewlein, deren die letzte nach ihres Herrn Vatters Todt geboren. Der Kaiser bestätigte sie als Vormuenderin vnnd Curatorin jhrer Jungen Herrschafft (Kinder) – mit was grosser trew sie solche Vormundschafft vnd Curatel gefuehret ist wol bewust. Die Namen dieser Kinder sind nicht genannt, bis auf eine Ausnahme. Es sind die Jungen Herrn Johann (Hans) Georg *† 1560, Ernst * 1561 und Friedrich Christoph * 1564 sowie die Fraewleins Elisabeth (ohne Geburtsdatum), Anna Sophia * 1562 und Maria * 1567. Der Sonderfall findet sich am Ende von Margaretas Leichenrede: Als nun der guetige Gott fuer einem halben Jahr jhr F. G. liebe Tochter die Durchleuchtige Hochgeborne Fuerstin vnnd Fraw Fraw Elisabetham Hertzogin zu Sachsen Landtgraevin in Thueringen vnnd Marggraevin zu Meissen etc. sampt einem Jungen Herrlein so nur einer stunden alt aber doch gleichwol auff den namen Jesu Christi getaufft worden vnd jhrer F. G. wol vier troestliche Leichpredigten an vnderschiedlichen orten gehalten, hat ihr F. G. dieselbige wol achtmal durchlesen. (Abb.3)Abb.3 Waren es nur der Mutter Schmerz und Frömmigkeit, nicht auch eine Kontrolle? Von vier Leichpredigten für Elisabeth hören wir; dem Vater und dem Schwiegervater waren drei gewidmet. (Abb.4)Abb.4 Bei Detlev Schwennicke (Europäische Stammtafeln, N. F., Bd. XIX, Tafel 89 Die Grafen von Mansfeld hinterortische Linie, 2000) steht: Elisabeth * 1565 † Marksuhl 12. IV. 1596; die freie Enzyklopädie Wikipedia übernimmt diese Angaben (Stammliste Haus Mansfeld). Günter Jankowski, ein 2018 verstorbener Heimatforscher aus dem Mansfeldischen, und der Historiker Lothar Berndorff führen ohne Quellenangabe 1566 bzw. 1565. Es bleibt schwierig, sind doch keine Taufeinträge nachweisbar, weder in den Kirchen Eislebens noch im Archiv der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen in Magdeburg. Aber – eine Lesefrucht führte weiter. 1566 erscheint in Eisleben der Catalogvs Der Buecher So M. Cyriacus Spangenberg in Druck verfertigt hat. Aus der Feder des gebürtigen Nordhäusers Cyriacus Spangenberg (1528–1604) versammelt der Buchdrucker Andreas Peter 63 Werke, Spangenberg ist einer der fleißigsten Menschen in einer Zeitgenossenschaft von Fleißigen (Hans Mayer). Solcher Fleiß erscheint uns heute ungewöhnlich, altmodisch und fast befremdlich! Die großen historischen Arbeiten zum Mansfelder Land kommen noch, Spangenberg plante eine sechsbändige Mansfeldische Chronik, brachte aber nur deren ersten Teil 1572 zur Drucklegung. Carl Rühlemann bringt 1933 Fragmente verschiedener Bücher des dritten Teiles der Mansfeldischen Chronica heraus. In dieser sehr umfangreichen Sammlung (Fragmente des 2. und 4.–6. Buches des 3. Teiles der Chronik zur Grafengeschichte nach 1540), genauer im Vermutlichen Fragment des 6. Buches des 3. Teiles der Mansfeldischen Chronik von C. Spangenberg wurde mein langes Suchen belohnt: Von F. Elisabeth, geborener Grävin von Mansfeltt, Herzogin zu Sachsen, Marggrevin zu Meißen und Landgrävin zu Thuringen. Diese, Graven Hansen zu Mansfeltt dritte Tochter, ist Anno 1566 zu Eißleben den 4. Aprilis geboren und jung zu ihrer Frau Muttern Schwestern, F. Sophien, geborener Herzogin von Brunschwig und Lüneburg, Fürstin zu Hennenberg, Witwin, gen Frawen Breitungen gethan und alda erzogen worden. (Abb.5)Abb.5 Das Geburtsdatum ist gefunden, der Zeitgenosse Cyriacus Spangenberg ist mein Gewährsmann.

Elisabeths Geschwister: Johann (Hans) Georg, Ernst, Anna Sophia, Friedrich Christoph, Maria

Der ältesten Schwester Anna Sophia attestiert der Leichenprediger Jakob Dickhaupt eine ganz besondere Kirchentreue: Sie ist zur Gottesfurcht zu dem christlichen Catechismo vnd vielen geistreichen Spruechen vnd Gebeten erzogen worden auch im Lesen vnd Schreiben Rechnen vnnd andern Stuecken. Mit hohen fuerstlichen Verstand vnd Klugheit ist sie begabt gewesen, daß es einem gantzen Lande zu regiren haetten genugsam seyn koennen. (Abb.6)Abb.6 Die jüngste Schwester Maria muss eine aufgeschlossene lebendige Frau gewesen sein, mit einer ungezwungenen Lebenslust, glaubt man den Quellen. (Abb.7)Abb.7 Der Veruntreuung und der Zauberei war sie angeklagt, auch des Ehebruchs. Witwe Margareta, immer in Finanznöten, hatte beide Töchter von gräflichem Rang nach oben zurück verheiratet: Beide sind Mitte Zwanzig, als sie 1589 und 1591 bzw. 1611 ältere Ehemänner heiraten. Die Nachrichten zu den Brüdern sind spärlich, aber auch hier gibt es eine Ausnahme. Über Johann (Hans) Georg wissen wir nur, dass er am 14. September 1560 gestorben ist. Ernst und Friedrich Christoph wurden durch Hauslehrer unterrichtet. Beide studieren ab 1577 an der Universität Jena. (Abb.8)Abb.8 In einem Eisleben den 11. Dezember 1579 datierten Schreiben ersucht Margareta die Stadt Lüneburg um einen Beitrag zu den Studienkosten ihrer Söhne. Sie hatte grafff Ernnstenn vndd graf Friedrich Christoffern numehr zwey Jahr, mit Sorg, mühe vndd arbeit, vonn vnnserm Leibguth auf der Vniuersitet Jehne erhalten, vnnd sönnderlich denn eltisten, so itzo des ortts Rector, so weit bracht. Zu dem auch auf das Rectorat nicht einn gerinnges gewenndet das wir Sie ihrem Stande nach, ehrlich kleyden, Vielwenig zum Studierenn vorlegen oder vnnderhalten können etc. Vnnser ganz gnediges gesinnenn, da wir auch noch ein stück Fürstlichenn Braunschweigschenn vnnd Lüneburgischenn Hauses sind, damit ihr Vnsern lieben Söhnen, ein Zeitlang zu ihrem Studieren, behulfflich vndd förderlich sein könnet. Der Magistrat antwortet am 26. Februar 1580, will eine Zulahge zuschießen, so haben wir vngeachtet angeregter grosser Vngelegenheiten 200 Thlr. zustellen lassen. Klartext am Ende: E. Fgl. werden hiermit fridlich sein, vnd In vns mehr od. weitter nicht dringen. (Abb.9)Abb.9 1579 war Ernst das Rectorat auffgetragen worden. (Abb.10)Abb.10 (Oben der Name des Rektors; war ein Fürst, Graf oder Freiherr Rektor, folgt der des die Geschäfte führenden Prorektors, hier der Jurist Daniel Eulenbeck.) Zu recht schreibt der Eislebener Pfarrer Ludwig Ferdinand Niemann (Geschichte der Grafen von Mansfeld, 1834), Ernst unterbricht mit dem Glanz seines Namens das Dunkel mehrerer ihm vorangegangener und ihn nachfolgenden Namen und findet für ihn das Bild: Wie in diesem Gewebe aber erst die Goldfäden dem Ganzen Glanz zu verleihen vermögen, so leuchten nur wenige Namen durch das Dunkel hervor. Dieser Bruder Elisabeths war ein würdiger Sohn seiner würdigen Mutter (Theodor Heine).

Elisabeths Eltern: Gräfin Margareta und Graf Hans von Mansfeld-Hinterort

Mutter Margareta: Die spätere Gräfin Margareta von Mansfeld-Hinterort wird am 10. Juni 1534 in Celle als erste Tochter Herzogs Ernst von Braunschweig-Lüneburg und Herzogin Sophie von Mecklenburg geboren. Ernst gehört zu den Reformationsfürsten der ersten Stunde, an Sophie rühmen die Biografen, sie sei in allen Fürstlichen Tugenden erzogen, vor allem aber ihre Fruchtbarkeit, da Sie ihren Gemahl in dem 13 jährigen Ehestande mit 12 Fürstlichen Kindern, nemlich 6 Printzen, und 6 Printzeßinnen erfreuet. Margareta ist sieben Jahre alt, als ihre Mutter am 18. Juni 1541 in der Gebuhrt stirbt, Vater Ernst unerwartet am 11. Januar 1546. Über das weitere Leben wissen wir wenig, mit 25 Jahren tritt sie 14. August 1559 in der Schloßkirche Celle mit Graf Hans von Mansfeld vor den Traualtar – eine Dame von vorzüglichen Eigenschaften des Geistes und des Herzens (Niemann). Die geborene Herzogin musste sich sehr begnügen: 1561 ging dem Paar das Amt Rothenburg verloren, die Zinsraten wurden nicht mehr bedient, sie räumten die Residenz. Hansens Versuch, das Schloß 1566 mit Waffengewalt wieder einzunehmen, endete mit seiner Gefangennahme und schließlich am 3. März 1567 mit dem Tod. Das war ein schwerer Schicksalsschlag, die große Familie zog nun in das Eisleber Stadtschloß um. Als Margareta am 24. September kurtz vor mitternacht zwischen 11. vnd 12. [Stunde] dieses 1596. Jahrs im Alter von 62 Jahren seliglich entschlaffen ist, weilt sie gerade im Schloß Marburg zu Besuch bei ihrer Tochter Maria. Im Landgrafenchor der Elisabethkirche wird sie beerdigt. Bis 1934 vermutete man, Margareta sei in der Eislebener Annenkirche bestattet. Erst danach ist die Elisabethkirche als letzte Ruhestätte gesichert; der Ausgrabungsbericht (1854) endet: Für uns steht fest, daß der Ort Eisleben unter den Grabstätten der Fürsten des Welfenhauses fortan zu streichen ist. Niemann weiß aber schon 1834, dass Margareta am 29. September in Marburg begraben wurde, wie es auf dem Titelblatt der Leichenpredigt steht: vnd am 29. desselbigen Monats zu Marpurg in S Elisabethæ Kirchen in ihr Schlaffkaemmerlein Christlich vnd Fuerstlich bestattet. (Abb.11)Abb.11

Vater Hans: Graf Johann I., auch Hans I. genannt, begleitet in jungen Jahren im Februar 1546 die Leiche Martin Luthers von Eisleben nach Wittenberg und nimmt an den Trauer- und Begräbnisfeierlichkeiten teil; am Elstertor in Wittenberg angekommen, ritt er vor der Leiche Luthers: zween junge Grafen und Herren zu Mansfeld (Graf Hans, Graf Johann (Hans) Hoyer II.). Er hat am Totenbett Luthers gestanden (Da kamen die Edlen, Wolgebornen Grafen und Herrn Graf Hans), und es gibt einen Bericht des Grafen zu Luthers Tod (1846 gedruckt). Rechnet man noch seine erste Heirat mit Prinzessin Dorothea von Pommern-Stettin hinzu, dann kann Hansens Geburtsjahr um 1530 gewesen sein. Seine erste Ehefrau war die Prinzessin Dorothea von Pommern-Stettin (1528–1558), ihr hoechzeitlicher Eherentag ist in deren Leichenpredigt nicht genau benannt, überhaupt sind sehr wenige biografische Details bekannt. Ich nenne den 29. September 1555 nach Theodor Heine (1861) und den Stammtafeln der Herzöge von Pommern (1868). Dorothea war erst dreißig Jahre alt, als sie starb; vier Jahre hatte sie im großen Mansfelder Schloß gelebt, wo alle drei Zweige der kinderreichen Mansfelder wohnten. Kämpferisch waren sie allemal: Graf Hans wollte sich mit bewaffneter Hand Rothenburg zurückholen, das ging schief. Er flüchtete mit seiner Familie zur Nachtzeit auf 7 Kähnen über die Saale, wurde gefangen, nach Halle gebracht und ist auf der Moritzburg am 3. März 1567 gestorben. Drey Leichpredigten wurden ihm gehalten, die dritte vom Hofprediger Andreas Strophius. Dieser weiß, an Seine Gnaden sind auch gebrechlichkeiten gewesen Es finden sich offt an grossen Herrn grosse Mangel vnd gehen die gemeinen Hoffsuenden als vbrig essen vnd trincken pancketiren vnd vbermut brauchen etc. allenthalben an grossen vnd kleinen Hoeffen durch – derer sich Hans auf dem Sterbebett entschuldigt habe. Im übrigen zeigt der durch Margareta initiierte Leichenpredigtdruck, dass sie an der Verbreitung einer positiven Memoria (Berndorff) ihres Ehemannes elementar interessiert war, ist Hans doch durch seine militärischen Aktionen arg in Mißkredit geraten. Derart Unterfangen ist schwierig, das belegt sehr viel später Oberhofprediger J. F. Röhr, Goethes Trauerredner. Er schreibt drei Tage (am 29. März 1832) nach der Beerdigung am 26. März 1832 an einen Kollegen: Gott ist tot, denn Goethe ist gestorben Ich selbst bin über seinen sittlichen Wert mit möglichstem Glimpf hinweggegangen und habe mich damit begnügt, ihn mit seinem Fette zu beträufeln. Wer die nicht gesprochenen Worte aus den gesprochenen herauszulesen versteht, wird nicht im Zweifel sein, was ich meinte. Wäre dieser Brief damals bekannt geworden, er hätte Röhr den Posten gekostet.

Elisabeths Kindheit und Jugendjahre

Biografische Nachrichten über Elisabeths Kindheit und Jugend sind, um es deutlich zu sagen, rar. Einige Lesefrüchte biete ich Ihnen an: 1580 erscheint vom Diakon an der Nikolaikirche zu Eisleben ein Tugendspiegel für junge Mädchen, ein Erziehungshandbüchlein: Jungfrawen Spiegel. Aus Gottes Wort vnd D. M. Lutheri Schrifften nach Ordnung der heiligen zehen Gebot mit vleis zugerichtet (Faksimiledruck 1990). Der Jungfrawen Spiegel ist ein Lese- und Nachschlagewerk für Töchter aus adeligem Hause. Conrad Porta (1541–1585) dezidiert seine Schrift ausdrücklich Anna Sophia, Elisabeth und Maria, Margaretas Töchtern, sie ist auf Bitten der Schwestern Margareta und Sophia publiziert worden. (Abb. 12)Abb.12 Porta lobt, dass nu mehr alle drey fast den gantzen lieben Psalter die auserlesesten allerbesten vnd furnempsten Sprueche der Goettlichen heiligen Schrifft in grosser anzall sampt vielen Geistreichen schoenen Gebeten lieblichen vnd nuetzlichen schoenen Gesengen also gelernet vnd gefasset haben, das ichs neben andern Christlichen Predigern vnd frommen Christen in hohen vnd niedrigen stenden mit sonderlicher verwunderung vnd grossen frewden zum offtermal angehoeret das E. G. in solchem alter da eine kaum 17. [Anna Sophia] die ander 13. [Elisabeth] die dritte 12. jahr [Maria] durch Gottes gnade erreichet haben (…). Anna Sophia und Maria lebten bei ihrer Mutter, Porta kannte sie. Am tage Dorotheæ der heiligen Jungfrawen Anno 1580 [6. Februar] ist die Vorrede beschlossen, geschrieben wohl eher, denn Anna Sophia wäre nun (1580) 18, Elisabeth 14 und Maria 13 Jahre alt. (Abb. 13)Abb.13 Ein weiteres Zeugnis aus dem jungen Leben Elisabeths: Bei Johann Sebastian Güthe (Poligraphia Meiningensis, Das ist Gruendliche Beschreibung der Uhr=alten Stadt Meiningen, 1676) gibt es einen ausführlichen Bericht über die Begräbnisfeierlichkeiten für Graf Georg-Ernst von Henneberg-Schleusingen (1511–1583). Güthe erzählt, wie am 9. Januar 1584 die Fürstliche Leich zu Schleusingen in die Pfarr-Kirche mit Christlichen Ceremonien zur Erden bestattet, und dabey nachfolgender Proceß gehalten worden: Nach den Schülern, Schul- und Kirchendienern folgten vier edle Knaben und drei Cämmerer. Der Fuerstlichen Hochbetruebten Frau Wittbe, Frau Elisabeth, geborne Hertzogin von Wirtenberg (Württemberg), folgten zur rechten und zur linken Hand Männer und Frauen von hohem Adel. An zweiter Stelle nach Georg-Ernsts Witwe (…) Darnach Graff Hansen von Manßfeld Wittbe, geborne Hertzogin zu Braunschweig und Lueneburg (Margareta von Mansfeld), an vierter Stelle (…) Dann die drey Fraeulein von Manßfeld Geschwistere Graf Hanßen seel. Toechter. (Abb. 14)Abb.14 Die drey Fraeulein von Manßfeld sind Anna-Sophia, Elisabeth und Maria. Beim Leichenbegängnis im Winter 1584 waren die jungen Frauen 22, 18 und 17 Jahre alt. Wie schon mitgeteilt, ließ Margareta Elisabeth bei ihrer jüngsten Schwester Sophia (1541–1631) am Henneberger Hof erziehen. Spangenberg schreibt: (…) und jung zu ihrer Frau Muttern Schwestern, F. Sophien, (…) [nach] Breitungen gethan und alda erzogen worden. Was bedeutet hier jung, anders gefragt, wissen wir, wann das geschah? Bis jetzt nicht, aber ich mache Ihnen zwei Vorschläge: Aus einem Brief Sophias haben wir Kenntnis, wie lange bzw. bis wann Elisabeth in Breitungen weilte. Einem umfangreichen Konvolut im Staatsarchiv Meiningen (Acta Das Ableben der Herzogin Elisabetha zu Sachsen Überführung deren Leiche von Marksuhl nach Coburg betreffend) ist Sophias Schreiben an die Statthalter und Räte zu Meiningen vom 15 Aprilis A(nn)o 1596 zu entnehmen: Wann dann Von weÿland dem Hochgebornenn Furstenn, Herrn Boppen Fursten Vndt Herrnn Zue Hennebergk etc. Vnnd Vnns, an Kindesstadtt In das 23 Jahr gantz Kindlich, freundlich geliebett, erzogenn, Vnndt außgesetzt wordenn ist. (Abb. 15)Abb.15 Damit sind wir im Jahr 1589. Und wann kam Elisabeth zur Tante? Conrad Porta war nahe genug am Eisleber Familienleben, er schreibt: So wie Frewlein Anna Sophia vnd Frewlein Maria von junger jugend auff von der Mutter aufferzogen wurden, so hat es auch die hochgeborne Fuerstin vnd Fraw Fraw Sophia geborne Hertzogin zu Braunschwigk vnd Lueneburg Graeffin vnd Fraw zu Henneberg Widwe E. G. geliebte F. Mume auch bey E. G. Frewlein Elizabeth an Mutter stat nu [d. i. 1580] in die eilff jar Christlich Fuerstlich vn trewlich gethan (…) vom dritten jar E. G. alters an biß auff gegenwertigen tag vnd stunde [d. i. 1580]. Das kann nur heißen, 1569 ist Elisabeth im Alter von drei Jahren nach Breitungen gethan worden (Spangenberg).

Elisabeth und Johann Ernst – Kennenlernen, Stolpersteine auf dem Weg zur Hochzeit

Auf Schloß Breitungen-Herrenbreitungen lernen sich Elisabeth und der gleichaltrige Johann Ernst – er stammt aus der Dynastie der ernestinischen Wettiner, ist Herzog von Sachsen-Eisenach und Herzog von Sachsen-Coburg (1566–1638) – am 8. Dezember 1589, so Christian Ferdinand Schulze (1832) und nach ihm August Beck (1858), näher kennen; Johann Ernst, das weiß Schulze zu berichten, ward von ihrer Liebenswürdigkeit so ergriffen, daß er, obschon früher ohne alle Neigung zum Ehestande, jetzt nichts sehnlicher wünschte, als sich mit der Geliebten zu vermählen, und ihr die Ehe gelobte, sobald seine Eltern die Einwilligung dazu geben würden. Er schrieb den Eltern, bat um Billigung seines Vorhabens, kurzum – er strebte zügig Verlobung und Vermählung an. Die Einschätzung des Archivars Wolfgang Huschke, (…) daß Johann Ernst hartnäckig und zäh ein eigenes Ziel verfolgen konnte, bewies er eigentlich nur, als es für ihn darum gegangen war, seine Liebesheirat mit der Gräfin Elisabeth von Mansfeld durchzusetzen, und als er dem älteren Bruder ein eigenes Stück des gemeinsam ererbten Territoriums abstrotze, kann durch die Ausführungen Brigitte Streichs (2003) ergänzt und bestätigt werden: Nach dem Verlust der Kurwürde hat sich der Heiratskreis der Ernestiner spürbar auf die Thüringen benachbarten Länder eingeengt; man heiratet welfische Prinzessinnen, Frauen aus dem Hause Anhalt oder aus dem hessischen Herrscherhaus. (…) Vereinzelt stehen Verbindungen mit Württemberg und Brandenburg sowie die Liebesheirat Johann Ernsts von Sachsen-Eisenach mit einer Gräfin von Mansfeld. Die Eltern, vor allem der Vater Herzog Johann Friedrich II. der Mittlere (1529–1595), hegten Bedenken und gaben erst im Juni 1590 ihre Einwilligung zur Hochzeit. Was hat es mit den Bedenken auf sich? Aus dem Januar 1590 datieren Ernsts Gesuche, Vater und Mutter aber reagieren abweisend. Wie schrieb die Mutter an Elisabeth am 2. Februar?: Es ist bald ein Weib genommen; aber wie es zu erhalten, da denkst du nicht hin. Auch ist sie eine Gräfin, und du findest deines Gleichen wohl. Ernst ließ nicht nach und beschloß, den höchstbetrübten Herrn Vater persönlich zu besuchen. Am 12. Juni 1590 umarmten sich Vater, Mutter und Sohn mit Gefühlen sowohl der innigsten Freude als auch zugleich des tiefsten Schmerzes. Eine ergreifende Scene! urteilt August Beck 1858. Der Vater hatte seinen nun 24jährigen Sohn zuletzt als Säugling gesehen. Sicher mit Unterstützung der Mutter gewann Ernst den Vater für sein Anliegen. Am 23. Juni 1590 wurde das Dokument ausgestellt, in welchem der Herzog und die Herzogin Elisabeth in die Vermählung einwilligten. Aus vätterlichem und mütterlichem Gemüth gegen Unsern freundlich lieben Sohn, haben wir uns allso ercleret in der Heyrathssachen (…) Es ist schwehr unnd gefehrlich zu Kriegen, auch Heyrathen zu rathen, denn man weiß nichts wegen des Außgangs, sambt der Langwihrigkeit, wie sie gerathenn werden. Die Argumente sind: Das Verlöbnis ist übereilt, die Geliebte ist zu jung und nicht ebenbürtig, das Ganze jetzt finanziell unzumutbar und nur in besseren Zeiten realisierbar, (…) darmit sie darbey sein könnten. Nach solcher erinnerung und wolbedachter anmeldung böses und guten, über die erclerung Unsers väterlichen auch mütterlichen Gemütes, so wollen wir Sr. L. glück unnd den segen Gottes gewünscht haben. (Abb. 16)Abb.16

Die Fürstliche Hochzeit am 23. November 1591 in Wiener Neustadt

Johann Ernst und Elisabeth heiraten zu der Newstadt in Osterreich (Niederösterreich), das wissen wir aus der Predigt Bey der Fuerstlichen Hochzeit Gehalten den 24. Tag Novembris deß alten Calenders Anno Domini 1591. So die Vermaehlung den 23. als den naehesten Abendt vorher gegangen. (Abb. 17)Abb.17 Hofprediger Georg Libo betont in der Zuschrifft, Hertzog Johann Friedrich habe ihn dazu erfordert und die Fuerstliche Wittwe zu Henneberg welche selbst eine fleißige Zuhoererin dieser seiner geringen Predigt gewesen dieselbe in Druck zuverfertigen begehret. Seine einfeltige vnd geringschaetzige Predigt als jvnger vnerfarner vnd ungeuebter Prediger ist in vnterthenigkeit geschrieben, er sei aber der Zuversicht, diese geringe Arbeit werde gnediglich gefallen. Er ist verpflichtet vnd schueldig gewesen Der Fuerstin Sophien, fleißige Zuhoererin dieser meiner geringen Predigt, sie hat dieselbe in Druck zuverfertigen gnedig an mich gelanget. Und weil aus deß Herren Mildigkeit ich etlich Jahr lang auff der loeblichen weitberuehmbten Vniversitet Jena mit einem Stipendio bin gnedig versehen vnd vnterhalten worden, sind pflichtschueldige Danckbarkeit vnd demuetiger Fleiß, Gehorsam vnd Bereitwilligkeit geboten. Die Hochzeitspredigt geht um die Ehe, um den Ehebruch und um die lauernden Gefahren. Eheliche Liebesbrunst zündet GOTT im Herzen an, jhr zwey [Johann Ernst und Elisabeth] sollen Lust und Liebe zusammen haben, nicht gezwungen werden, denn Gemachte Liebe vnd gezwungener Eidt ist Gott leidt. So schließt Libo beruhigt: Ihre Hertzen [sind] nicht aus der Brunst einer fliegenden sondern rechter Christlicher vnd ehelicher Liebe zusammen geflossen vbnd gewachssen. Das zweite Gebett zu GOtt in erwehlung eines Ehegemahls am Ende der Predigt zeichnet Ioachimus Munsingerus. I. V. D., Dr. jur. Joachim Munsinger. Das Gebett zu GOtt fand sich zwischen dem Gebet vmb einen frommen Ehegemahl und dem Gebet vor dem Brautbette im mehrfach aufgelegten (1. Aufl. 1566) Betbüchlein des Joachim Münsinger von Frundeck (1514–1588). (Abb. 18)Abb.18 Nach der Sitte der Zeit fanden am Abend des 23. November 1591 die Trauung (Vermaehlung), am Morgen des 24. November Kirchgang und Brautpredigt statt: Dienstag und Mittwoch des alten Calenders. Der 1582 durch Papst Gregor XIII. eingeführte Kalender Neuen Stils wird erst im September 1699 von den protestantischen Ländern des Deutschen Reichs angenommen und im Jahr 1700 umgesetzt.

Die Heimreise nach Thüringen: Breitungen, Gerstungen, Marksuhl – und Creuzburg?

Anfang Dezember 1591 reisten die frisch Vermählten über Prag auf die Veste Heldburg zum Bruder des Gatten, Herzog Johann Casmir (1564–1633), mit dem sie das Weihnachtsfest feierten. Wenige Tage später weilten sie wieder auf Schloß Breitungen-Herrenbreitungen, Spangenberg schreibt: Haben darnach mit einander zu Marck Sula, zwischen Isenach und Vacha Haus gehalten. Das junge Paar nahm wohl zunächst in Breitungen Wohnung, sodann musste es sich zu Gerstungen behelfen. Die entscheidende Frage ist aber, wann war das Schloß Marksuhl bezugsfertig? Die Jahresangaben für den Bau schwanken zwischen 1587–1591, Georg Dehio schreibt 1905 im „Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Band I: Mitteldeutschland“: Schloß 1583. Wie Christian Franz Paullini (1643–1712) informiert, war in einem Stein ein Chronogramm eingehauen, das auf das Jahr 1588 verweist: § 203. Im Jahr 1588 hat Johann Ernst, Herzog von Sachsen, das Schloß Marksuhl erbaut. Dies nämlich besagen die in einen Stein eingemeißelten Worte: Gott, der Hüter des Lebens, ist mein Helfer. Weiter heißt es: Im Jahre 1596 wird Johann Ernst zu Marksuhl ein Söhnlein geboren, Johann Friedrich genannt, das aber kurz darauf gemeinsam mit seiner Mutter verstarb. Sie ruhen in der Pfarrkirche zu Creuzburg. (Abb. 19)Abb.19 James Hilton druckt 1882 in London das Chronogramm, Melchior Merten sei nur angeführt, weil es ein Curiosum ist. (Abb. 20, Abb.20 Abb. 21)Abb.21 Für meine Vermutung, dass das Fürstenpaar gegen Ende 1592 seine Residenz in Marksuhl bezogen hat, gibt es drei Argumente: 1.) Kurz nach der Hochzeit, am 30. November 1591, schreibt der Vater an den Sohn Johann Casimir und fordert ihn auf, dem Bruder Johann Ernst die Ämter Kraynberg und Eisenach einzuräumen, mit ihm in brüderlicher Einigkeit zu leben und, das ist wichtig, das Neuhaus zu Marksuhl ihm zum Wohnhaus einzuräumen: Alß wolten wir gerne, Das wir dann hiermit An d. L. vnsern Sohn Vätterlich wollen Begert haben, d. L. wollen, weil das Neuhauß zu Marcksula auß dem Ambt Creutzburgk gezogen. (Abb. 22)Abb.22 2.) Elf Monate zuvor, 1590, regeln die Brüder im Fuerstbruederlichen Vergleich, dass Casimir das Land regiert und des Landes Lasten übernimmt, auch jene zum Unterhalt des gefangenen Vaters; Ernst wurden, damit er ein ziemblich Fuerstliches Einkommen haben moege, das Amt vnd Stadt Creutzburg zugewiesen. Ob auch wohl das Dorff MarckSaeule ins Amt Creutzburg gehoerig; So soll doch daßelbe, samt den neuerbauten Schloße, Hertzog Johann Casimirn verbleiben. Es will auch Hertzog Johann Casimir, das Schloß zu Creutzburg erbauen, und zwar dermaßen, damit Hertzog Johann Ernst Seine Fuerstl. Residenz vnd wesentliches Hoflager, daselbsten commod vnd plaisirlich haben koennen. Inmittelst wollen sich Sr. Lbd. zu Gerstungen behelffen, auf welchem Fall Hertzog Johann Casimir daselbsten eine neue Kirche erbauen vnd mit dem Schößer vm seine Behaussung handeln will. (Abb. 23)Abb.23 Wein, Bier, Silbergeschirr waren geregelt, auch die Kosten der Hochzeit: so soll nicht allein das Beylager vnd Heimfahrt, durch Hertzog Johann Casimir ausgerichtet werden. Eine neue Kirche? Bei Hellfeld steht neue Kuche, in der Meininger Handschrift eine neue Küchen erbauen. (Abb. 24)Abb.24 Mein drittes Argument, die hoff vnnd Hauß Ordtnung Zue MarttSula, Angefangenn vnnd Beschlossenn den 19 Febuarÿ. anno 1593. (Abb. 25)Abb.25 Verschraubt man diese drei Sachverhalte miteinander – 1590 samt den neuerbauten Schloße, 1591 Neuhauß zu Marcksula, 1593 Hof- und Haus-Ordnung zu Marcksuhl –, dann ist die Wahl von Marksuhl als Residenz 1592/93 plausibel. Casimir vernachlässigte seine vertraglichen Pflichten, das Schloß zu Creutzburg wurde nicht ausgebaut, das junge Paar musste sich über ein Jahr bei der Patin, der verwitweten Fürstin Sophie von Henneberg in Burgbreitungen aufhalten und bezog dann das Jagdhaus Marksuhl, das ihnen nicht einmal zustand – wie Hans Stephan Brather in seiner Dissertation 1951 ausführt.

Die Dokumente zu Elisabeths und des kleinen Prinzen Friedrich V. Ableben 1596

Elisabeths einziger Sohn Johann Friedrich V. wurde am 8. April 1596 im Marksuhler Schloß geboren, er verstirbt aber bereits kurz nach der Taufe. Die dreißigjährige Mutter folgt ihm nur vier Tage nach ihrer Niederkunft am 12. April, einem Ostermontag. In der Leichenpredigt ihres Gemahls beklagt der Prediger, dass also ein Jahr nach dem andern schwere Creutz-Frucht gesendet worden sei: 1594 Tod der Mutter, 1595 Tod des Vaters, nun jhr hertzliebstes Ehegemahl und Kindbetterin den 8. Aprilis in Anno 1596. diese Welt gesegnet und das liebe wolgestaltete Fuerstl. Soehnlein des 12. desselben Monats gefolget und den 10. Maji zu Creutzburgk Christlich beygesetzet (…) worden. (Abb. 26)Abb.26 Johann Wagner hat offenbar die Personen vertauscht, ordnen wir die Angaben und bringen Licht ins Dunkel: In drei Katalogen aus den Jahren 1716 und 1733 sind die vier Leichenpredigten auf Elisabeth erstmals erfasst: 1) auf Burg=Breitungen M. Joh. Reinhold, 2) zu Ilmenau M. V. Schilling, 3) zu MartSuhla Hofprediger Gnuege, 4) zu Creutzburgk M. Schönhaar. (Abb. 27)Abb.27 Der Katalog der fürstlich Stolberg-Stolberg’schen Leichenpredigten-Sammlung nennt 1930 Geburts- und Sterbedatum und den Verfasser eines Gedichtes (G. W. S.). Und genau hier beginnen die Schwierigkeiten, mit einer räume ich sofort auf. Elisabeths Geburtsangabe Zella 14. VIII. 1559 ist falsch: Der Creuzburger Pfarrer Friedrich Schönhaar erwähnt den elterlichen Hochzeitstag, Margareta war Hans am 14. August 1559 ehelich beygelegt worden.

Vier Leichenpredigten – oder doch fünf?

Als Elisabeth stirbt, widmen sich vier Prediger ihrer Tugenden als gerechte Kirchenfreundin und Christlicher Kirchen Pfleger vnnd Seugamme. Der 1595 zum Hofprediger in Burgbreitungen ernannte und spätere Pfarrherr vnd Decanus generalis zu Manßfeldt (1599) Magister Johannes Reinhold hebt in seiner Predigt am 7. Mai hervor, dass Elisabeth von gottseligem keuschem stillem eingezogenem wesen und leben gewesen sei; hohen Leibs und bei ungelegenem bösen wetter hat sie der Leychbestattung des Schwiegervaters beigewohnt im Dezember 1595; Johann Ernst hat eine hertzliebste Gemahlin, traute Gesellin, ein Stück seines Leibs und Herzens verloren. Der Hennebergische Witthumbs Pfarrherr Magister Valentin Schilling spricht in seiner am 10. Mai zu Ilmenau gehaltenen Predigt davon, dass dem Hause Sachsen nicht eine Tasche entfallen ist oder sonst was kleines und geringes, sondern eine demütige fromme christliche löbliche Landesfürstin, aus dem alten loeblichen Stamme Manßfeldt geboren. (Abb. 28)Abb.28 Der gebürtige Marksuhler und zu dieser Zeit Eisenacher Hofprediger Martin Gnüge weist in seiner Leychpredigt gehalten zu MarttSuhla bey der Abfuehrung beyder Fuerstlichen Leychen den 8. Maij auf von Elisabeth selbst verfaßte Gebete hin, darauf, dass Elisabeth alle morgen vnd abend jhr leß vnd bestunde in jrem Gemach gehalten und das deroselben Frawenzimmer alle morgen ein stund in Gottes wort haben lesen muessen. Pfarrer Magister Friedrich Schönhaar – in Creuzburg geboren, von 1603 bis 1610 Superintendent zu Eisenach – hebt in seiner Predigt beim Fuerstlichen Begrebnuß zu Creutzburk am 10. Mai hervor, wenn wir nun von den geistlichen gaben damit vnsere gnedige Fuerstin vnd Fraw begnadet gewesen reden sollen befinden wir das jre [F[ürstlich] g[naden] h[erzliebst] g[emahl]] ein warhafftig Tempel des heiligen Geistes gewesen. (Abb. 29)Abb.29 Im Jahre 1933 überrascht der Heimatforscher Fritz Rollberg mit der Nachricht von einer in Reime gefaßte Leichenpredigt auf die Fürstin, verfertigt durch den unbekannten G. W. S., sie ist wohl nach dem Katalog in der Carl-Alexander-Bibliothek vorhanden, doch bislang nicht auffindbar. Diese zweite Schwierigkeit ist noch nicht auflösbar, G. W. S. habe ich nicht entschlüsseln können, aber: 1.) ist G. W. S. kein Verfasser einer (nun fünften) „Leichenpredigt“; 2.) G. W. S. und diese Predigt sind in keinem der erwähnten und geprüften Kataloge vorhanden; 3.) Rollbergs Nachricht passt nur auf das Schlußgedicht in der Gnüge-Schönhaar-Leichenpredigt: Zu Ehren vnd Trost jhrer F. G. nachgelassenen Herrn vnd Gemahls: meinem gnedigen Fuersten vnd Herrn vnterthaenig annectirt vnd kurtzlich in Reimen verfasset Durch Deroselben jhrer F. G. Diener G. W. S. (Abb. 30)Abb.30 4.) In welchem Katalog auch immer Rollberg diese „Leichenpredigt“ gesehen hat: Das Werklein in dieser Gestalt findet sich als Fragment (ohne Erscheinungsvermerk) der Zwo Leychpredigten von Gnüge und Schönhaar mit sechs weiteren Funeralschriften im Sammelband Casimiriana, der 1597 gebunden worden ist, wie aus dem Aufdruck auf dem Einband hervorgeht; die Initialen des ersten Besitzers lauten H. P.

Neun Briefe und Berichte

haben sich in den Archiven gefunden. Für die Niederkunft seiner Gemahlin hatte Johann Ernst Gebete angewiesen: der allmächtige gütige Gott hat unsere liebe Gemahlin mit Leibesfrucht gesegnet. (…) nach gehaltener Predigt wöchentlich unsers f. l. Gemahlin Entbindungswerk offentlich zu gedenken. (…) Marchsula, ahm 3. Januarÿ Anno 1596. (Abb. 31)Abb.31 Im ersten offiziellen Dokument Todtes=Fall Fr: Elisabethen, gebohrner Gräfin zu Manßfeld, Herzog Johann Ernsts Zu S. Eisenach Gemahlin, samt Einem Kl. Prinzen, nahmens Johann Friedrich. 1596 schreiben Statthalter und Räte der Grafschaft Henneberg an Herzog Friedrich Wilhelm wegen der Leichenüberführung von Marksuhl nach Coburg, wobei Hennebergisches und Hessisches Gebiet berührt werden musste (Meiningen, den 14. April 1596). (Abb. 32)Abb.32 Weshalb wird Herzog Friedrich Wilhelm in die Vorgänge einbezogen? Herzog Friedrich Wilhelm I. von Sachsen-Weimar (1562–1602) war im Testament Kurfürst Christians I. (1560–1591) vom 30. August 1591 als nächster Agnat zum Vormund über die unmündigen Söhne eingesetzt, und als Christian I. am 25. September 1591 starb, übernahm Friedrich Wilhelm das Amt eines Administrator des sächsischen Kurstaates.

Genedigster Herr, Wir stellen vnderthenigst Jn keinen Zweiffell, Euer F: G: werdten nhunmher bericht empfangen haben, wie betrüblich die sachen zu MarthSuhla Jn deme stehen, das deß auch Durchlauchtigen Hochgebornen Fursten vnd Herrn, Herrn Johanß Ernsten Herzogen Zu Sachsen etc. geliebte Gemhalin etc. ein Jungen Herrn, welch so baldten nach empfangener Christlicher Tauff verschidten, geboren sondern das auch Ihre F: G: selbsten den Oster Montagk gleichsfalß Jn Gott entschlaffen sein sollen (…). Wann aber vermuthlich das solche Furstliche Leich njach Coburgk würdet führt, vnd daselbsten Zur erdten bestattet, auch solch gestalt diese Furstliche Graffschafft Hennenbergk nothwendig müssen berhurt vnnd vngezweifelt auch mit derselben alhier Jn der Stadt Meÿnungen Jm Durchfhuren, benachtett werdenn, (…) mit vnderthenigster bitt, dieselben Euere F: G: geruhen vns mit gnedigstem bescheidr, wie wir es sowohl mitt der vergleidtung (…) alß auch mit der tracTation vnnd ausquitirung, vnd sonsten vnderthenigst zuhalten (…) Dat(um) Meÿnung(en) den. 14. Aprilis A(nn)o 96. Euer Furstlichen Gnaden Vnderthenigste gehorsambste Diener Ahn Herrn Friedrich Wilhelm Herzog zu Sachßen etc. Vormunden vnd der Chur Sachßen Administratorn etc. Vnsern genedigsten Herren.

Das zweite Dokument ist vom 15. April 1596: Gräfin Sophia von Henneberg meldet den Statthaltern und Räten, dass Elisabeth am 12. April, nachdem sie am 8. April einen Sohn geboren habe, der bald nach der Nottaufe starb, verstorben sei; da selbige bis in das 23. Jahr von ihr und ihrem seligen Gemahl Graf Poppo von Henneberg an Kindes statt erzogen wurde, erwartet sie, dass in sämtlichen Kirchen eine Trauerpredigt gehalten werde. Tags darauf, am 16. April 1596, antworten die Statthalter und Räte. Das vierte Dokument: Herzog Friedrich Wilhelm antwortet auf die Zuschrift vom 14. April: Wie wir dan(n) auch euch hierbeiverwahrt vbersenden, was wir deßwegen an Herzog Johann Ernstens etc. freundlich geschrieben, Torgau, den 20. April 1596. Fünftens, derselbe schreibt an Herzog Johann Ernst zu Sachsen, dass wegen Überführung der Leiche Elisabeths nach Coburg die Hennebergische Regierung angewiesen worden sei, dem durchziehenden Conduct Bewirtung und sonstiges zu leisten und dafür zu sorgen, dass sich die hessischen Beamten dem entsprechend erweisen (20. April 1596). Im sechsten Dokument bedankt sich Gräfin Sophia bei den Statthaltern und Räten für die Bereitwilligkeit, mit der sie die gewünschte Leichpredigt halten lassen wollen (Burgbreitungen, 2. Mai 1596). Das siebente Dokument ist eine Abschrift über die Abhaltung der Leichpredigt, das letzte, achte Dokument ist vom Archivar mit roter Tinte notiert: Nach einem auf dem letzten Blatt enthaltenen Vermerk fand das Begräbnis am 10. Mai zu Creuzburg statt. (Abb. 33)Abb.33

Vnsers geliebten [gnädigen?] Fürsten vnd H(err), Herzogs Johann Ernstens Zu Sachsen etc. Gemhalin, Frawen Elisabethen etc. gebornen Gräfin Zu Manßfeld etc. vnd Irer F: G: gebornen Jungen Herrleins (Johann Friedrich genandt) tödlicher abgangk Zu Martsohla. 12. Aprilis. A(nn)o 96. Das Begrebnus geschiehe zu Creutzburgk den. 10. Maÿ A(nn)o: 96. Jtem Die Jn der f: grafschaft Hennenbergk, hiervber gehaltene Leichpredig(t)en betreffende.

Am 20. April 1596 teilt Friedrich Wilhelm wegen der Leichenüberführung Johann Ernst mit: Wir werden berichtet, das Ewer Liebden bedacht sein sollen, die Fürstliche leichte, weiland der Hochgebornen Fürstin Ewer Liebden in Gort ruhendenn hertzliebenn Gemahlin Christmilder gedechtnus, gegen Coburgk bringen vnnd führen Zulaßen, Vnnd Damit die fürstliche Graueschafft Hennenbergk Zu berieren, Darumb wier nicht vnnderlaßen Ewer Liebden bewirtung vnnd notwenndiger ausrichtung halben, Dem Statthalter vnnd Rathen Zu Meinungen beuelch Zuthun, Wir mügen aber Ewer Liebden Freündtlich nicht bergen, das sich vor dieser Zeit, die Heßischen Beampten Zur Vngebür Angemaßet ann etzlichen örtern ermelter Graueschafft dem Hauße Sachßen, die Vergleitunng Streitig Zumachen, Wann wier dann die beisorge haben, das sie sich bej dieser gelegenheit abermahls etwas thetliches vnnderfahen mächten (…). (Abb. 34)Abb.34

Des Knaben Begräbnis war für Ostermontag, den 12. April, angestellet, aber weil die Fuerstliche Fraw Mutter fast in letzten zuegen lag, ward es auffgeschoben. Elisabeth wird erst am 10. Mai in der Nikolaikirche beigesetzt. (Abb. 35)Abb.35 Der Eintrag im Bestattungsbuch aus der Feder Friedrich Schönhaars lautet: 1596 Montag Item die durchleuchtige hochgeborne furstin von Sachsen Elisabeth herzogen geborne von mansfeldt begraben den 10 mayi mit einem jungen herlein herzogk johan friederich. Von fremder Hand später hinzugesetzt: ist neben dem Altar wo die Communicanten stehen beÿgesetzet worden. In den Ausgrabungsdokumenten (Berichte vom 4. und 5. August sowie vom 7. November 1932) schreibt Landrat Gläser: Nach der Auffassung der beteiligten Sachverständigen, insbesondere des Herrn Kirchenbaurats Rade, haben wir mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß die Leiche auch nicht mehr an der ursprünglichen Stätte beigesetzt gewesen sei. Ich entsinne mich, daß Herr Kirchenbaurat Rade seine Verwunderung über die Lage der Gruft dahin ausgesprochen hat, da die Gruft wohl ursprünglich beim Altar gewesen sei, während sie jetzt südlich des Altars an der Außenmauer des Chorraumes lag. Wir haben mit der Möglichkeit gerechnet, daß die Särge nach einem Brande der Kirche Mitte des 18. Jahrhunderts umgebettet worden seien. Im Jahr darauf notiert Pfarrer Günther, dass man bei den Freilegungsarbeiten (…) in der Nähe der Sakristei auf die Gruft der Herzogin Elisabeth von Sachsen Eisenach stieß (…). Die Predigt Johannes Reinholds schmückt ein Bildnis-Holzschnitt der Verstorbenen (140 × 121 mm), der Künstler ist nicht bekannt, die Umschrift setzt an mit der Titularformel Von Gottes Gnaden Elisabeth Herzogin zu Sachsen Landgräfin in Thüringen Marggräfin zu Meißen Geborne Gräfin zu Mansfeld; V. G. G. Johann Friederich V. Herzog zu Sachsen Landgraf in Thüringen Marggraf zu Meißen. (Abb. 36)Abb.36 Mein Vorschlag für die Auflösung der Buchstabenfolge oberhalb, unterhalb und in der Bildmitte (nach Stechow’s Lexikon der Stammbuchsprüche, 1996) lautet: L. M. L. = Liebe macht Leid; S. S. S. S. = Studens spero, sperans studeo (Strebend hoffe ich, hoffend strebe ich); E. I. F. = Elisabeth In Fronte, also in etwa Elisabeth von vorn bzw. in Vorderansicht. Im Treppenhaus des Marksuhler Schlosses befindet sich ein unbezeichnetes Doppelbildnisrelief, das angeblich das Herzogenpaar Johann Ernst und Elisabeth vorstellt. (Abb. 37)Abb.37 Bei Wilhelm Ernst Tentzel (Sächisches Medaillen-Cabinet, 1714) klingt es, was Bildnisse angeht, etwas vorwurfsvoll, lassen wir ihn zu Wort kommen: Johann Ernst hatte offt genug Gelegenheit dazu. 1588 Schloß zu Marcksuhl (…) anno 1591. mit seiner ersten Gemahlin Elisabeth den 23. Novembr. Beylager gehalten. Es starb aber die erste Gemahlin anno 1596. den 12. April nachdem sie vier Tage zuvor ein junges Herrlein gebohren (…) Allein auff ihre Beysetzung zu Creutzburg finden wir so wenig Medaillen als auff das andere Beylager mit der andern Gemahlin Christina 1598 (…). Junge oder Mädchen in Marksuhl? Johann Georg Lairitz (Layritz) (Neu-Angelegter Historisch-Genealogischer Palm-Wald, 1686) mutmaßt: Seine erste Gemahlin war Elisabeth (…) hat mit ihr ein Kind erzeuget so von etlichen vor eine Prinzessin gehalten und Elisabetha Sophia; von andern aber vor einen Prinzen geachtet und Johann Fridrich geheissen wird. Apr. 1596. den Geist aufgegeben. In der Vor-Ansprach an den geneigten Leser referiert Lairitz die von ihm ausgewertete, umfangreiche Literatur – für seine Behauptung hat er keinen Nachweis. (Abb. 38)Abb.38 1700 greift Georg Paul Hönn (Sachsen-Coburgische Historia) die Legende auf: eines jungen Printzens Johann Friederichs (oder wie andere wollen einer Princeßin so Elisabetha Sophia geheissen haben soll v. Lairitzens Palmen-Wald S. 257.) so gleich domahls auch wieder verschieden zu Marcksuhla den 12. April 1596. (Abb. 39)Abb.39 Mehr als 80 Jahre später wird Johann Gerhard Gruner (Beschreibung des Fürstenthums Coburg, 1783) über die Geburt eines jungen Prinzen Johann Friedrichs, welcher auch sogleich wieder verschieden informieren und kräftig mitspekulieren: oder wie andere behauptenf) einer Prinzessin Elisabetha Sophia, zu Marksuhla den 12. April 1596.

Mit der Grabstätte gerät auch Elisabeth in Vergessenheit

Elisabeths Grabstätte sollte in anhaltende Vergessenheit geraten. Bei der feierlichen Einweihung der durch den Brand 1765 zerstörten, nunmehr gründlich wiederhergestellten Nikolaikirche im Jahre 1786 blieb ihre Grablege unerwähnt; hundert Jahre später war sie schon nicht mehr zu lokalisieren. (Abb. 40)Abb.40 Otto Posse (Genealogie des Gesammthauses Wettin, 1897) hält fest: Die Grabstätte ist nicht mehr zu finden, wahrscheinlich durch Brand 1765 zerstört oder bei dem Wiederaufbau 1785/86 ganz beseitigt. Wer sich vom großen Brand 1765 ein Bild machen möchte, schaue in die Festschrift 800 Jahre Creuzburg (2013), auf Seite 103 ist Goethes Zeichnung der abgebrannten Nikolaikirche gedruckt. (Abb. 41)Abb.41 Im Tagebuch 1779 d. 13. früh nach Kreuzburg, dort gezeichnet die ausgebrannte Kirche gibt es keinen Hinweis des dreißigjährigen Goethe auf die Grabstätte Elisabeths, die so alt war wie er jetzt, als sie starb. Die Creuzburger Kirchenchronik weiß auch nichts darüber, es hat sich bis jetzt kein Hinweis auf eine Zerstörung der Grabstätte oder auf die Beseitigung derselben oder gar eine Umbettung gefunden. Wilhelm Rein schenkt dem Ganzen (Wanderungen an der Werra, 1861) nur eine Fußnote (Gemahlin und Prinz scheinen kein Denkmal gehabt zu haben), Reins Jahresangabe 1592 greift Hermann Helmbold in den Bau- und Kunstdenkmälern Thüringens (1915) auf (1592 wurde die jung verstorbene Gemahlin des damals in Marksuhl residirenden Herzogs Johann Ernst mit ihrem Kind nach Creuzburg übergeführt und in der Hauptkirche nahe beim Altar beigesetzt), sie blieb als Schleppfehler in der Welt. Der Eisenacher Heimatforscher und Archivar Hugo Peter verwirrt uns mit seinen Angaben. In seinem Büchlein Die Entstehung des Herzogtums Eisenach (1921) heißt es: Die Ehe dauerte nur wenige Jahre. Elisabeth starb schon 1596. Ein Prinz, Johann Friedrich, den sie vier Tage vor ihrem Tode geboren hatte, starb ebenfalls kurz darauf. Beide liegen in der Nikolaikirche zu Creuzburg begraben. Kurt Langlotz, ein verdienter Heimatforscher, erwähnt Elisabeth mit keinem Wort. Einzig Johann Binhard teilt schon 1613 im Dritten Buch seiner Thueringischen Chronica die korrekten biographischen Details mit: Den 8. April ist Hertzog Johan Ernsten zu Sachsen etc. ein junger Sohn Johan Friedrich gebohren vnd also balt ein Stund nach der Tauff gestorben deßgleichen die Mutter hochgedachtes Fuerstens Gemahl den 12. hujus hernach verschieden vnd zu Creutzburg in der MarckKirchen sampt dem Jungen Herrlein Fuerstlich vnd Christlich zur Erden bestattet worden. Erst während umfänglicher Ausschachtungsarbeiten im Chorraum der Kirche stieß man am 29. Juli 1932 unvermutet auf die verschollen geglaubte sog. „Herzogin-Elisabeth-Gruft“.

Ausgrabungen in der Creuzburger Nikolaikirche, 29. Juli 1932, Grabungsbericht 145 K 318

Creuzburgs Kirchenchronik hebt 1932 mit der Nachricht an, dass am 1. März ins Pfarrhaus eingebrochen wurde, Geld sei von den Dieben nicht gefunden worden; am 23. April Besuch der Bauleiter beim Landeskirchenrat betreffs Erneuerung der Nikolaikirche; im Mai Freilegung im Chorraum; am 6. Juni beschließen Prof. Högg, Kirchen-Rat Franz und Kirchenbaurat Rade die Freilegung des ganzen Chorraumes. Nach dem Eintrag Am 20. Juli war Hochzeit auf Schloß Creuzburg. Der Pfarrer traute die Frau des verstorbenen Kommerzienrates Kossenhaschen mit Herrn Albert Schäfermeier in der Elisabethenkemenate notiert Pfarrer Günther: Am 29. Juli wurde die „Herzogin-Elisabeth-Gruft“ und der darin befindliche „Herzogin-Schmuck“ bei Ausschachtungsarbeiten entdeckt und dieser Schmuck der Gruft entnommen. Am 1. August nimmt eine behördliche Kommission die Gruft in Augenschein, unter anderen Landrat Gluhn [Gläser?], Burghauptmann von der Gabelenz und Museumsdirektor Stelljes. Am 26. August wurde im Beisein von Baurat Rade die Erneuerung der Kirche beschlossen, damit der Widerstand der Kirchenvertretung gebrochen. Nach der Kirche kam nun dauernd Besuch, der die Freilegungen wie auch den Schmuck besichtigte. Dieser Eintrag war für mich eine Initialzündung, eine mühselige Arbeit begann. Vielen Spuren bin ich nachgegangen, noch so entlegene Hinweise und Fingerzeige wurden aufgegriffen, Museen, Archive und Behörden in Thüringen und Hessen befragt. Die energischen, unermüdlichen Anstrengungen (Eisenach, Dresden, Coburg, Marburg und Weimar) wurden belohnt. Es gab ein glückliches Ereignis (frei nach Goethe) – ganz in der Nähe konnten frische Teilnehmer und Beförderer herangelockt und erworben werden. Am 5. September 2018 kam Post aus dem Landeskirchenarchiv Eisenach, Frau Christina Neuß, seit Juli 2019 dessen neue Leiterin, schrieb: Im Anhang finden Sie eine Kopie des Vorgangs zur Gruftöffnung in der Creuzburger Nikolaikirche im Juli 1932. Darin enthalten ist auch eine Aufnahme des dabei gefundenen Schmuckes der Herzogin Elisabeth. Auf dem großen Umschlag in der Akte steht: Inliegend 1 Lichtbild von dem vorgefundenen Schmuck, es ist eine Farbaufnahme von dem wunderschönen Herzogin-Schmuck. (Abb. 42)Abb.42 In der Festschrift 800 Jahre Creuzburg finden Sie in Antje Coburgers Beitrag eine Schwarzweißphotographie einzelner Schmuckteile, sie notiert, dass die Grabbeilagen in den Kriegswirren verlorengegangen sind. Die Akte Gruftöffnung in der Nikolaikirche – Schmuck der Herzogin Elisabeth – enthält zehn Blätter mit folgenden Dokumente: 30. Juli (Pfarrerbrief an den Landrat), 4. August (Niederschrift Gruftöffnung, Besichtigung 1. August), nochmals 4. August (Kirchenvorstand Creuzburg, Protokollabschriften) und 5. August (Landrat Gläser Besichtigung 1. August). Man barg den in der Gruft hinterlegten Schmuck, in des Pfarrers Worten: Zwei goldene Armbänder mit eingelegter Emaillearbeit. Ein Gotteslämmchen in Emaille und Gold mit Rubinsteinen und Perlen. Ein Gehänge aus Perlenkrönchen, dessen Abschluss mutmasslich das Lämmchen bildete, war zerfallen. Ein dreigliedriger goldener Fingerreif, an dem über einem Herzen zwei Hände sich fassen. Zwei Ohrringlein. Knöpfe u. dgl. hatten sich aus dem Samtbrokatmantel gelöst. Ähnlich lautet der Bericht des Kreisfundpflegers Hermann Riede, den mir Dr. Thomas Grasselt vom Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Architektur übergab; dort ist die Grabung aktenkundig, Ausgrabungsdokumente fanden sich aber nicht. – Creuzburgs Kirchgemeinde erhoffte, den Schmuck für die im Zuge befindliche Restaurierung ihrer Hauptkirche nutzbar zu machen. Doch es sollte alles anders kommen.

Der Streit um den Elisabeth-Schmuck, die Gutachten und der Leihvertrag

In den Jahren 1933 bis 1938 schweigt die Creuzburger Kirchenchronik. Nach langer schwerer Krankheit stirbt Pfarrer Otto Günther am 30. Juli 1939, seit 1930 war er im Amt. Zum Jahresausklang 1932 vertraut er seiner Chronik noch an: Am 23. November besichtigte Professor Schultze-Naumburg gemeinsam mit Professor Högg die Kirche und den Schmuck. Das Volksbildungsministerium in Weimar erhob gegen die Besitznachreihung des Schmuckes durch die Kirchgemeinde Einspruch. Der Landeskirchen-Rat antwortete mit einem Gegengutachten. Am 7. Dezember war der Schmuck auf Betreiben des Landeskirchen-Rates dem „Thüringer Museum“ in Eisenach als „Leihgabe“ übermittelt worden. (Abb. 43)Abb.43 In regionalen kirchlichen Zeitschriften thematisiert Günther 1932/33 diese Vorgänge, kann sie aber nicht weiter verfolgen. Nahezu ein Vermächtnis, meine ich, sind die Abschriften vom Elisabeth-Sarg: Die Sarginschrift, soweit bis jetzt entziffert, nennt als Tote Elisabeta … Ducissa Saxon … Thuring Marchion – … Comitiss Mansfeld et. … Der Text kann behutsam ergänzt werden, nimmt man die Erläuterungen in den Heimatglocken 11/1932 hinzu und bedenkt, dass vier Tage für die Textaufnahme zur Verfügung standen (29. Juli bis 1. August 1932) und ein gutes Vierteljahr, um den Text ins Reine zu bringen. (Abb. 44)Abb.44 Elisabeta [Dei Gratia] Ducissa Saxon(iae) Landgravia Thuring(iae) Marchion(issa) [Misnensis nata] Comitiss(a) Mansfeld(ensis) et [cetera – – –]. In deutscher Übersetzung: Elisabeth von Gottes Gnaden Herzogin von Sachsen, Landgräfin von Thüringen und Markgräfin von Meißen, geborene Gräfin von Mansfeld usw. – – –. Es folgen neun Bibelsprüche (Jesaja 26,19; Hosea 13,14; Sapientae Salomonis 3,1; Römer 8,38; Römer 14,7; 1. Korinther 15,22; Philipper 3,20; Hebräer 13,14; Apocalypse 14,13), die Jahreszahl 1596 sowie eine Wappenzeichnung, angeschlossen ein lateinischer Spruch und ein längerer lateinischer Text.

Sicher kennen auch Sie, verehrte Damen und Herren, die eine oder andere Geschichte vom abhanden gekommenen Schmuck. Bei Horst Schmidt (775 Jahre Stadt Creuzburg, 1988) kann man erfahren, dass nach der Freilegung der Gruft der dabei gefundene wertvolle Schmuck im Oktober 1932 auf Veranlassung der thüringischen Landesregierung, trotz Einspruch der Kirchgemeinde Creuzburg, dem Museum Eisenach übergeben worden ist – leider ohne Quellenangabe. Erneut begann eine lange Suche. Hielt ich am 5. September 2018 voller Freude den Ausgrabungsbericht in den Händen, so teilte mir das Thüringer Museum Eisenach just am gleichen Tage mit, über keine Hinweise zu den von Ihnen gesuchten Objekten zu verfügen. Da ich auch im Eisenacher Stadtarchiv nachgefragt hatte, beschied man mir, dass Ihr Anliegen dort am besten bearbeitet werden kann. Ich blieb hartnäckig, überzeugte die Creuzburger Pastorin Susanne-Maria Breustedt, sich offiziell einzuschalten (13. Februar 2019) – und am 8. März 2019 kam die Nachricht, dass sich Fragmente des gesuchten Schmucks sowie offensichtlich einige zugehörige Knöpfe im Musuem befinden. (Abb. 45)Abb.45 Im Artikel Katja Schmidbergers in der „Thüringer Allgemeinen“ vom 6. Juni 2019 ist alles erzählt. Noch einmal gab es Post vom Landeskirchenarchiv, am 19. Juli schickte mir Frau Neuß etliche Dokumente aus der Ortsakte Creuzburg den Elisabethschmuck betreffend zur Einsicht (20 Blätter). Tags zuvor sendete Dr. Frank Boblenz eine ergänzende Nachricht über Unterlagen zum Schmuckfund, die in einer Akte des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Heimatschutz Nr. 699 vorliegen; zu den 20 Blättern kamen 27 Blätter hinzu. 13 Dokumente umfasst die Eisenacher Akte, drei prominente stelle ich vor: Erstens das Gutachten des Weimarer Volksbildungsministeriums vom 3. Oktober 1932, Verfasser war Oberregierungsrat Dr. Friedrich Mess. (Abb. 46)Abb.46 Mess trägt rechtliche Bedenken gegen die Annahme vor, dass der Kirchgemeinde Creuzburg das Verfügungsrecht über die Schmucksachen zusteht. Am nächsten läge es, so sein Fazit, die Gegenstände zur größeren Sicherheit vielleicht im Thüringer Museum zu Eisenach zu verwahren. Zweitens das Gegengutachten für das Landeskirchenamt vom 27. Oktober, Verfasser war Prof. Dr. Paul Schultze-Naumburg, von 1930–1940 Direktor der Staatlichen Hochschule für Baukunst, bildende Künste und Handwerk Weimar. (Abb. 47)Abb.47 Der Erbauer von Schloß Cecilienhof – er wurde auf der Sonderliste der zwölf wichtigsten bildenden Künstler der Gottbegnadeten-Liste (Führerliste) geführt – kennt das Mess-Gutachten und schreibt: Der Wert der Schmuckstücke ist sehr hoch zu bemessen, sie dürfen dem Lande nicht verlorengehen. Der Gegengutachter plädiert gegen einen Verkauf ins Ausland; für die glücklichste Lösung würde ich es halten, wenn die Arbeiten im Museum für kirchliche Kunst in Eisenach Aufstellung fänden. Drittens den Leihvertrag zwischen der Kirchgemeinde Creuzburg und dem Thüringer Museum in Eisenach, den Dr. Wilhelm Stelljes (1867–1939) aufgesetzt hat. Am 29. November und am 2. Dezember erhalten der Landeskirchenrat und der Pfarrer Günther Schreiben von Prof. Högg, deren Grundtenor ist: Es bestehen keine Bedenken, den Schmuck gelegentlich an ein Thüringer Museum käuflich abzutreten und den Kaufpreis zur Instandsetzung des Kirchenchors zu verwenden; der Staat wird auch einem Verkauf des Schmuckes an ein Thüringer Museum keinerlei Schwierigkeiten in den Weg legen, die einzige Sorge sei, daß der Schmuck außer Landes gehen oder sonstwie verschleudert werden könnte. Pfarrer Günther wird ausdrücklich gebeten, seine Gemeinde zu beruhigen. Im Jahresausgang 1932 bahnt sich eine Lösung an, die nicht der Königsweg war: Wilhelm Stelljes übersendet dem Landeskirchenrat am 31. Dezember 1932 den nicht befristeten Vertrag über die Leihgabe der im Sarkophag der Landgräfin Elisabeth von Eisenach-Marksuhl gefundenen Schmuckgegenstände. (Abb. 48)Abb.48 Der Kirchenvorstand Creuzburg übergibt die gefundenen Schmuckgegenstände als Leihgabe, nämlich: 1. Ein Lamm Gottes-Anhänger Gold-Emaille mit Edelsteinen und Perlen besetzt. Rm. 10.000.-; 2. Ein Paar Armbänder. Rm. 2500.-; 3. Ein dreiteiliger sog. Conjugalring aus Gold mit Emaille. Rm 1.500.-; 4. Zwei kleine goldene Ohrringe. Der Wert ist nur 1,5 g Gold; 5. Ein Perlengehänge, Rm. 1000.-; 6. Acht Glasknöpfe sie haben keinen Kunstwert, sondern nur einen historischen Wert. Die Schlußbestimmungen lauten: Das Thüringer Museum übernimmt die pflegliche Behandlung u. sichere Verwahrung der Leihstücke, ihre Versicherung gegen Einbruchdiebstahl u. Feuer. Als Versicherungswert wird festgesetzt Rm. 15000,-. (Ein Kaufkraftvergleich dieser 15.000 Reichsmark aus den Jahren 1926–1936 ergibt für das Jahr 2018 126.944,50 DM, das entspricht 64.905,69 €.) Der Kirchenvorstand darf die Gegenstände einen Monat nach vorausgegangener Kündigung zurückverlangen. Das Eigentum an den Gegenständen wird durch diesen Vertrag nicht berührt. Der Vertrag gilt erst dann, wenn er vom Landeskirchenrat der Thüringer evangelischen Kirche zu Eisenach genehmigt worden ist. Am 8. Januar 1933 setzt Pfarrer Otto Günther – sicher schweren Herzens – seine Unterschrift unter den Vertrag, Wilhelm Stelljes hatte am 31. Dezember 1932 unterschrieben. (Abb. 49)Abb.49 Für den Landeskirchenrat genehmigt Volkmar Franz am 12. Januar 1933 den Leihvertrag – die Akte 145 K 340/10.1 ist damit geschlossen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, 87 Jahre sind vergangen, die intensive Suche nach dem Verbleib von Elisabeths Goldgeschmeide blieb bisher leider erfolglos. (Abb. 50)Abb.50 Elf Jahre waren seit der Übergabe an Eisenach vergangen, da ist am 11. Oktober 1943 noch die Rede vom Creuzburger Schmuck; ihm zugehörige Teile, auch Knöpfe, werden neuverpackt, Unterschrift Lina Wiede. So mir die Lebenszeit geschenkt wird, gebe ich nicht auf, bis auch dieses Kleinod museal ausgestellt und damit öffentlich gemacht werden kann, wie es heute, am 4. Oktober 2019, mit fragmentierten Teilen des einstigen Elisabeth-Schmuckes geschieht. Elisabeth kam mit ihrem Knaben auf ihrer letzten Reise aus Marksuhl nach Creuzburg, wo beide vor nunmehr 423 Jahren zur Erden bestattet und in jhre Jrrdische RhuKammern gelegt worden waren. (Abb. 51, Abb.51 Abb. 52)Abb.52

Ich lade Sie frohen Herzens zur Ausstellung ein und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, es war mir eine Ehre.